Wie klingt der Tropfen, wenn er nicht fällt?
Über zwei Stege betritt man einen durch eine Wasserfläche gedoppelten Raum. Eine manifeste und eine fragile Realität treffen sich. Der perfekte Spiegel wird von fünf Tropfen gebrochen. In jeweils unterschiedlichen Geschwindigkeiten fallen sie auf die schwarze Wasserfläche. Ihr Aufprall wird akustisch verstärkt und setzt sich zu einem polymetrischen Klanggefüge zusammen. Die Arbeit beschäftigt sich mit der Fragilität der Wirklichkeit und dem Augenschein der Wahrheit.
Bachelor of Fine Arts im Studienschwerpunkt Bühnenraum bei Prof. Raimund Bauer, Malte Ubenauf
Urheber*in: Hanna Naske
volume
volume ist eine Installation, die sich grundlegend mit der Konstruktion von Raum auseinandersetzt. Dabei wird Volumen als raumdefinierendes Element greifbar gemacht. Ein Folienobjekt bildet einen geometrischen Körper dessen maximale Ausdehnung mit den Maßen des ihn umgebenden Raumes identisch ist. Der Bewegung des Aufblasens wird eine Gegenbewegung gegeben. Es entsteht ein dynamischer Rhythmus aus Expandieren und Kontrahieren. So wird Raum verdrängt und wieder freigegeben. Gleich einem Theatervorhang wird Raum geschlossen, geöffnet und Handlung evoziert. Die Betrachter*innen werden in Bewegung und Verhalten beeinflusst - sie reagieren und der Raum wird zum Akteur.
Bachelor of Fine Arts im Studienschwerpunkt Bühnenraum bei Prof. Raimund Bauer, Malte Ubenauf
Urheber*in: Lukas Fries
touch wonder why
touch wonder why – die Oberfläche eines Innenraums wird zur Membran, zur kitzeligen Haut eines Körpers. Ein Raum in Form eines Zylinders beginnt durch das Streicheln, Kitzeln und Tippen der Wand mal leise mal laut zu lachen. Durch die Bewegung der Hände auf der Oberfläche wird der Raum in Schwingung versetzt und das Lachen erschallt von außen.
touch wonder why setzt sich mit dem schmalen Grad des Lachens auseinander. Das Kippen des Lachens von einem Mit- zu einem Auslachen, Freude zu Schadenfreude, dem leisen, säuselnden Lachen hinter der Tür und dem polternden Donnergrollen.
Eine Installation, in der man in Stille verweilen kann, und doch „hinter der Wand“ ein scheinbar ruhender Lachsack darauf wartet, das Lachen hinaus in die Welt zu schicken.
Urheber*in: Raphaela Andrade Cordova
Flat Earth Camembert
Die Fenster sind verbarrikadiert, nur ein Schein erleuchtet unsere glückliche Familie und ihre flache Welt. Ihre Welt, das sind sie und ihr Glauben an die jeweils eigene, höhere Wahrheit.
„Sie wähnen sich in herrlicher Harmonie, während jedes Familienmitglied ihr eigenes Dogma überzeugt lebt. Denn in einer Zeit, die hinter den Fakten liegt, ist der Schlüssel zur Wahrheit allein in ihrem Innersten begraben.“ (Martin Györffy)
Flat Earth Camembert, 2021; Autor: Martin Györffy, Kamera & Schnitt: Elisa Juri; Kostüm: Liisi Voll; Mitarbeit Szenenbild: Lea Burkhalter; Darsteller*innen: Josefine Israel, Sasha Rau, Paul Behren, Josef Ostendorf
Bachelor of Fine Arts im Studienschwerpunkt Bühnenraum bei Prof. Raimund Bauer, Prof. Dr. Astrid Mania
Urheber*in: Anton von Bredow
Burning Issues
Studierende der Bühnenraum-Klasse von Professor Raimund Bauer waren 2020 maßgeblich an der inhaltlichen wie räumlichen Gestaltung von Burning Issues, einer von Nicola Bramkamp und Lisa Jopt initiierten jährlichen Konferenz für mehr Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung an Theatern und in Kulturbetrieben beteiligt, die sich seit ihrer ersten Ausgabe vor drei Jahren in Bochum auch Themen der Diversität und Inklusion öffnet. Aus einem Lehrauftrag von Nicola Bramkamp an der HFBK Hamburg ging zunächst der Auftrag für die räumliche Gestaltung der 2020er Ausgabe auf Kampnagel hervor. Weil sich die beteiligten Bühnenraum-Studierenden bei der Konzeption auch über die eigene Motivation zur Teilnahme an Burning Issues austauschten, kam es gemeinsam mit Kostümbild-Studierenden der Hochschule für Musik und Theater HfMT zur Gründung von Young Burning Issues. Für ein möglichst diverses Spektrum an Akteur*innen wurden durch einen Open Call Studierende und Berufsanfänger*innen verschiedener Ausbildungsstätten eingeladen, zu einem Parallelprogramm beizutragen, das die Fragen sichtbar machen sollte, die vor allem jungen Theaterschaffenden »unter den Nägeln brennen«.
Neben den Schauplätzen für das Hauptprogramm der Konferenz, der großen Bühne für Vorträge, Screenings und Veranstaltungen oder der Marktplatz-Situation für die Repräsentation der unterschiedlichen Initiativen konzipierten die Studierenden eine Rauminstallation speziell für Young Burning Issues. Es gab dort eine Bühne und eine Bestuhlung mit Drehsitzen, die im Pandemie-Sicherheitsabstand von 1,5 Metern im Boden verankert waren. Die Performances, Lectures, Screenings und Gesprächsformate erweiterten die Gender-Thematik des Hauptprogramms um Problematiken des Arbeitsumfelds Theater, die bereits im Studium und in der Ausbildung spürbar werden. »Das System der Stadt- und Staatstheater basiert nach wie vor auf regressiven Strukturen, die über Jahrhunderte gewachsen sind. Auch wenn es erfreulicherweise in jüngster Zeit vermehrt Bestrebungen zur Verjüngung und Enthierarchisierung vieler Betriebe gibt, vollzieht sich dieser Umbruch doch schwerfällig. Wäre nicht grundlegend, bereits in frühen Stadien wie der Ausbildung und den ersten Jahren des Berufslebens anzusetzen, um einen solchen Strukturwandel voranzutreiben?«, schreibt Malina Raßfeld, eine der beteiligten HFBK-Studierenden in einem Blogbeitrag auf der Seite der Claussen-Simon-Stiftung, die Young Burning Issues finanziell unterstützt hat.
Nach zwei intensiven und inspirierenden Tagen mit den unterschiedlichsten »Burning Issues« präsentierten die Teilnehmer*innen von Young Burning Issues ihre Anliegen auf der Hauptbühne. Über die Formulierung von Problemen aus der Perspektive der Ausstatter*innen, Studierenden und Auszubildenden hinaus ist ein Manifest mit 50 Forderungen entstanden, die sich auf die Ausbildungssituation wie auf die Arbeitssituation an Theatern und Opernhäusern beziehen. Young Burning Issues soll nach diesem Auftakt in den kommenden Jahren zu einem selbstermächtigenden und raumschaffenden Format weiterentwickelt werden.
Burning Issues / Young Burning Issues, Beteiligte HFBK-Studierende: Christopher Dippert, Isabelle Edi, Lukas Fries, Christina Geiger, Johan-Pertti Hagelstein, Malina Raßfeld, Naomi Sam. Betreut von Prof. Raimund Bauer, Nicola Bramkamp | Young Burning Issues wurde gefördert durch die Claussen-Simon-Stiftung, Kampnagel Hamburg | www.claussen-simon-stiftung.de/de/blog/young-burning-issues/
Urheber*in: Christopher Dippert Isabelle Edi Lukas Fries Christina Geiger Pertti Hagelstein Malina Raßfeld Naomi Sam
Studienprojekt III – Das Huhn tanzt noch immer. Sarah Kane
Wie hätte die 1999 verstorbene Dramatikerin Sarah Kane wohl auf unsere Zeit geblickt? Auf eine Pandemie, in der die Verletzlichsten noch verletzlicher und die Stärkeren noch unangreifbarer werden? Die fünf Bühnentexte, die sie schrieb und die Themen wie Ausgeliefertsein und soziale Isolation in beispielloser Radikalität wiedergeben, scheinen heute aktueller denn je zu sein. In den Raumkonzepten, die im Rahmen des diesjährigen Studienprojekts III durch Studierende der Hamburger Theaterakademie, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) und Bühnenraum-Studierende der HFBK Hamburg entstanden sind, kommt das zum Ausdruck. Die Bühnenidee von Anna Satu Kaunisto (HFBK Hamburg) und Hjördis Lyn Behncken für Daria Geskes dekonstruierte, experimentelle Inszenierung von Gier hält für die Zuschauer*innen je eine eigene kleine Wabe als »Einzelzelle« bereit – Ansteckungsgefahr gleich null. Zellen reihen sich in einem Rondell aneinander. Auf einem Stuhl sitzend kann man durch durchsichtige Wände sowohl die Nachbar*innen sehen als auch das Geschehen in der Mitte des Kreises verfolgen. Der Silikonvorhang gibt jedoch nur ein verschwommenes Bild frei. Mithilfe der Beleuchtung verändert es sich: Wie Geister bewegen sich die Schauspieler*innen auf der Bühne, mal sind sie deutlicher erkennbar, dann nur Schatten. Sie sind sichtbar gewordene Stimmen aus dem Stück. Es gibt keine Handlung, die Figuren sind Gedankenströme, die sich manchmal begegnen. Sie sprechen von Liebe, Sehnsucht, Schmerz und Obsession. Von der Unmöglichkeit, zueinander zu finden. Weiter entfernt in der Bühnenmitte scheinen sie eine Art Beschwörung abzuhalten, dann wieder kommen sie der Membran, die sie vom Publikum trennt, so nahe, dass man auf der Oberfläche den Abdruck ihrer Lippen sieht, ihre aufgerissenen Augen. Sie bewegen sich im Kreis, sind da und gleichzeitig nicht. Man weiß nicht, wann sie wieder stehen bleiben. Es ist ein Bühnenraum, der verstört und die Wahrnehmung erweitert. Zwei weitere der insgesamt sechs Inszenierungen befassen sich ebenfalls mit dem Stück Gier. Für die Inszenierung unter Regie von Fabian Thon hat Signe Raunkjaer Holm (HFBK Hamburg) das Bühnenbild entworfen. Man befindet sich hier in einer Kantine. Im Hintergrund zeigt ein großes Gemälde ein Gebirgspanorama, das in schmutzigen Farben gemalt ist. Blau und Grün haben ihr Leuchten verloren, Trostlosigkeit verschleiert alles. Die Imagefilme, die an zwei Bildschirmen auf Säulen in der Mitte des Raums glückliche Tourist*innen zeigen, wirken hier zynisch. Die Figuren auf der Bühne scheinen eher Gefangene zu sein. Die runden Tische gleichen Inseln, jeder bleibt in seiner Welt, in seinen eigenen Gedanken. Scheinbar gleichförmig geht der Tag zur Neige, das Licht verändert sich. Bis es knallt. Eine Kiste, die an einem Seil von der Decke hängt, kracht zu Boden, die Bergkulisse sackt in sich zusammen, die Fernseher schalten sich aus und sehen nun aus wie Augenhöhlen eines Ungeheuers. Und die Figuren verwandeln sich: In langustenähnliche Krustentiere. Nun können sie nur noch liegen, in sich selbst verkapselt und wie zum Verzehr freigegeben. In der Inszenierung von Phaidras Liebe von Maciej Marzec ist das Kostümbild zentrales Gestaltungselement des Raums. Das Stück um die tragische Liebe der Königin Phaidra zu ihrem Stiefsohn Hippolytos und ein damit verbundenes tabuisiertes sexuelles Begehren wird als groteske Mischung aus Puppentheater und antikem Maskentheater gezeigt. Die Figuren, gestaltet von Jakob Boeckh (HFBK Hamburg) und Johannes Speh, wirken wie Körperskulpturen. So erscheint Hippolytos, der Geburtstag hat, als ein Haufen aus fleischfarbenen Wülsten. Nur die Hände und der Kopf bewegen sich. Er wirkt wie ein Riesenphallus mit verschlagenem Gesicht und kleinen roten Augen. Während bei ihm alles erschlafft zu sein scheint, wirkt seine Stiefmutter hinter ihrer großen Maske wie erstarrt in einer Pose, aus der Gier und Angst sprechen. Nachdem es zur von ihr ersehnten sexuellen Begegnung gekommen ist, klagt sie den Stiefsohn der Vergewaltigung an und nimmt sich das Leben. Es folgt ein Aufstand des Volkes. Wie dieser auf der Bühne inszeniert wird, ist spektakulär. Aus einer riesigen Geburtstagstorte bläst eine Windmaschine rosa Konfetti in den Bühnenraum, auch von der Decke fällt Konfetti herunter, bis alles bedeckt ist. Dann reißt ein wütender Mob den Prinzen buchstäblich in Stücke. Mit fleischfarbenen Stoffballen dreschen die Rasenden daraufhin auf das Konfettimeer ein. Ein Inferno in Pink, über dem ein Hubschrauber kreist.
- – 18. Juni 2021, Studienprojekt III – Das Huhn tanzt noch immer. Sarah Kane
4.48 Psychose, Bühne: Christoph Dippert (HFBK Hamburg), Regie: Laura Gericke, Kostümdesign: Coline Meret Lola Jud, Dramaturgie: Nils Matzka, Kostümassistenz: Luca Punke, Klang & Performance: Roland Wendling, Schauspieler*innen: Sophie Aouami, Katharina Otte
Gier, Bühne: Simone Ballüer (HFBK Hamburg), Regie: Yida Guo, Kostüm: Natalie Himpel, Dramaturgie: Amelie Werner, Schauspieler*innen: Ali Abasi, Riccardo Ferreira, Jonas Hellenkemper, Joshua Zilinske
Phaidras Liebe, Figuren und Szenografie: Jakob Boeckh (HFBK Hamburg) und Johannes Speh, Regie Maciej Marzec, Dramaturgie: Dimitra Thomaidou, Musik: Victor Gutierrez Cuiza, Schauspieler*innen: Cheyenne Demont, Samantha Hoefer, Sean M. Grimm
Gier, Bühne: Signe Raunkjaer Holm (HFBK Hamburg), Regie: Fabian Thon, Dramaturgie: Martin Györffy, Musik: Dorian Behner, Beratung Kostüm: Sabine Kohlstedt, Beratung Choreografie: Rica Blunck, Schauspieler*innen: Markus Frank, Pauline Gloger, Verena Jost, Vivien Mahler
4.48 Psychose, Bühne: Carl Fischer und Sarah Matthies (beide HFBK Hamburg), Regie: Charlotte Heße, Kostüm: Dina Polus, Duc-Thu Mach, Sara Bentivogli, Dramaturgie: Emily Richards, Sound: Oleksandr Mykhalskyi, Video: Julius Kuhn, Schauspieler*innen: Julia Buchmann, Oleksandr Mykhalskyi
Gier, Bühne: Anna Satu Kaunisto (HFBK Hamburg), Hjördis Lyn Behncken, Regie: Daria Geske, Kostüm: Leonie Albert, Dramaturgie: Janka Kenk, Komposition: Carolina Cesconetto, Schauspieler*innen: Greta Ebling, Naomi Bah, Nebou N’Diaye.
Betreuung HFBK-Studierende: Prof. Raimund Bauer | Theaterakademie Hamburg, HfMT Campus Barmbek | www.hfmt-hamburg.de
Urheber*in: Christopher Dippert Simone Ballüer Jakob Boeckh Signe Raunkjaer Holm Carl Fischer Sarah Matthies Anna Satu Kaunisto
Die Dreizehnjährigen
Marie Luise Fleißer thematisiert in ihren Texten immer wieder
die Enge der bayrischen Provinz. „Die Dreizehnjährigen“ ist ein
poetischer und fragmentarischer Text, der von einer Gruppe
Jugendlicher erzählt, die in einem Umfeld strengen christlichen
Glaubens und sozialer Kontrolle die Gewalt ihrer Eltern
reproduzieren.
Bei meinem Raumentwurf war es mir wichtig Symbole von
Kindheit, Unschuldigkeit und dörflicher Idylle zu überzeichnen
und dadurch eine Art über-ästhetisches Gefängnis zu bilden.
Die Projektionen, Musik und eine mächtige Off-Stimme
lenken die Performenden von außen und bilden somit eine
Art großes Spielfeld, von dem sich das Schauspiel leiten und
gegen das es an arbeiten kann.
Projektionen von social-media Content und Kinderwelten in
Werbungsästhetik bringen die Suche nach Rebellion und Exzess
ins 21te Jahrhundert.
Urheber*in: Lili Süper
THE Transcendental EX-PERIENCE
THE Transcendental EX-PERIENCE, Music: Maurice Ravel; Choreography: Nicholas Palmquist; Dancer: Jón Vallejo; Violin: Annabelle Dugast; Cello: Sebastian Gaede; Camera: Silvano Ballone
Should we accept the so-called “New Normal” and forget the amazing live experiences we all have had? Shall artists “Rethink. Reskill. Reboot.”, and accept for example, the advertised idea also backed by the English government that encouraged people working in the arts to reskill by turning to a career in cybersecurity? Should we start holding live performances through ZOOM app meetings? Is this the future we all want?
Master of Fine Arts im Studienschwerpunkt Bühnenraum bei Prof. Raimund Bauer, Prof. Dr. Astrid Mania
Urheber*in: Otto Bubeníček
Bachelor of Fine Arts 2020
Bachelor of Fine Arts in den Studienschwerpunkten Bildhauerei und Bühnenraum bei Prof. Andreas Slominski, Prof. Raimund Bauer
Urheber*in: Jakob Spengemann
OVERtüre
Master of Fine Arts im Studienschwerpunkt Bühnenraum bei Prof. Raimund Bauer, Prof. Dr. Astrid Mania
Urheber*in: Sina Manthey
_
Themen wie sexuellen Missbrauch in einen Ausstellungskontext zu bringen bedeutet: Aushalten.
Ich muss aushalten, dass andere aushalten, dass ich es aushalten musste.
Die Gesellschaft muss unter anderem dieses Thema aushalten lernen.
Master of Education im Studienschwerpunkt Bühnenraum bei Prof. Raimund Bauer, Prof. Dr. Bettina Uppenkamp
Urheber*in:
Washitsu Wozu? - Eine Familiengeschichte auf der Insel der Illusionen
I.
Der Spiegel 9/1955 (23.02.1955), Fernost/Formosa: Insel der Illusionen
„Knapp zwei Millionen Festlands-Chinesen auf Formosa leben nur aus dem Heimweh. Die Männer aus Mittel- und Nordchina fühlen sich fremd auf der subtropischen Insel. Die über sieben Millionen eingeborenen Bewohner sind zwar chinesischer Herkunft, aber sie sprechen einen ganz anderen Dialekt und denken auch anders als ihre Brüder vom Festland."
Die Einwohner Formosas wurden nicht gefragt. Ohne Zweifel wäre es ihnen von Anfang an am liebsten gewesen, hätte man sie in Frieden die seit 1895 ersehnte unabhängige Republik Formosa gründen lassen. 1947 rebellierten sie vergeblich gegen den korrupten, despotischen Tschiang-Gouverneur Tschen Ji. 1949 fielen die demoralisierten Flüchtlingstruppen plündernd über die Insel her.”
ll. Landkarte von der Insel der Illusionen
Manche sagen, sie sei eine schöne große Blume, manche sagen, sie soll wie eine Süßkartoffel aussehen, jeder stellt sich vor, wie sie aussehen könnte, aber man weiß ja nie. Die Wahrheit ist: 90% der in der Verfassung der Insel der Illusionen festgeschriebenen Gebiete haben nichts mit dieser Insel zu tun. Wo sie sind und wem sie gehört ist ein Geheimnis. Die Landkarte zeigt entweder zu viele oder zu wenige Territorien an.
III.
Rou reist von Warschau nach Tokio.
Zöllner: (überprüft den Reisepass) Bitte zeigen Sie Ihr Visum für Japan vor!
Rou: Ich darf ohne Visum nach Japan reisen!
Zöllner: (LAUT) Sie sind Chinesin und brauchen ein Visum!
Rou: (zeigt) Ich komme von der Insel der Illusionen und brauche kein Visum, um nach Japan zu reisen!
Zöllner: (fragt am Schalter und gibt Rou Ihren Reisepass zurück) Sie brauchen kein Visum, aber wer zum Teufel sind Sie?
Rou: Ich weiß es nicht... niemand von der Insel der Illusionen weiß es. Wir sind immer nicht wir.
Der Reisepass der Insel der Illusionen ist nur in 15 Ländern anerkannt (ohne Deutschland), aber mit ihm können die Inselbewohner*innen ohne Visum in 146 Länder reisen
IV.
Alle Inselbewohnern\innen auf der Insel der Illusionen verlieren ihr Mutterland, obwohl ihre Mutterländer unterschiedlich sind. Wohin sollen wir gehen, woher kommen wir?
Master of Fine Arts im Studienschwerpunkt Bühnenraum bei Prof. Raimund Bauer, Prof. Dr. Bettina Uppenkamp
Urheber*in: Yi-Jou Chuang
Macht Licht
Licht, ein tendenziell positiv konnotierter Begriff, Macht, ein eher negativer, der oft die dunkle Seite beschreibt. Ein ambivalentes Spannungsfeld: Was, wenn das Positive mächtig ist? Bedarf es nicht stets der Balance zwischen positiv und negativ? Ohne Licht kein Schatten – wie das Gute erkennen, ohne das Schlechte zu sehen? Wie zugehörig sein, ohne auszuschließen? Macht beschreibt ein Konstrukt, das durch Unterscheidung Struktur, Stabilität und Orientierung bietet, einschließt und ausschließt – Kontraste schafft.
Welche Rolle spielt also das künstliche, das vom Menschen kontrollierbare Licht, im Zusammenhang mit Macht, Gewalt, Kontrolle? Was geschieht, wenn ich diese Lichtquelle befreie und der Kontrolle weitestgehend entziehe? In welcher Verbindung stehen Licht, Orientierung, Identität und Macht?
(...) Die Fähigkeit, Licht ins Dunkel zu bringen, dadurch Zeit und Raum zu strukturieren und somit Leben zu bestimmen, lag lange außerhalb des menschlichen Handelns, das Leben wurde strukturiert von außen, von der Natur (...), von Tag und Nacht, vom Licht. Erst als die Menschen sesshaft wurden, begann eine erste, selbstbestimmte Strukturierung, die Strukturierung von Fläche und Raum. (...) Das Territorium entwickelte sich zum Ausdrucksmittel von Macht. Kriege wurden geführt, um Einflussgebiete zu vergrößern, Zugänge zu erschließen und Lebensräume zu bestimmen. Auch wenn künstliches Licht dort über Jahrtausende keine entscheidende Rolle gespielt hat, so hat es doch die Dunkelheit und der Schutz, den sie bietet. Die Nacht ist bis heute die bevorzugte Zeit des Angreifers. Das Licht der Nacht bietet einen geringen Kontrast, wodurch Unterschiede nur schwer auszumachen sind, Objekt und Umwelt gehen ineinander über. Unterscheiden zu können, ist eine substanzielle Fähigkeit, um Macht auszuüben. Die Dunkelheit stellte somit zunehmend ein Territorium dar, welches es zu beherrschen galt – Zeit wurde besiedelt.
Master of Fine Arts im Studienschwerpunkt Bühnenraum bei Prof. Raimund Bauer, Prof. Dr. Michaela Ott
Urheber*in: Marvin Hesse
Sehr geehrter FRau Wagner,
Eva Lillian Wagner interessiert sich für umfangreiche und präzise Eingriffe in die Architektur von Räumen und setzt in ihrer künstlerischen Praxis bei bereits bestehenden Strukturen an. Dadurch sind ihre Arbeiten ortsspezifisch und meist subtil, so dass sie nicht selten erst auf den zweiten Blick bemerkt werden. Der kurze Moment der Irritation oder Verwirrung bei den Betrachtenden interessiert Wagner in ihren Installationen. Bei ihrer Abschlussarbeit Sehr geehrter FRau Wagner, bespielt sie nicht den vermeintlichen Ausstellungsraum, sondern den Raum hinter der Fassade. So betreten die Besucher*innen einen leeren Raum und erkennen erst beim Blick durch die offenen Fenster, dass die Aussicht (die sonst auf eine Baustelle und die Hauptstraße führt) verändert wurde. Der Raum hinter der Fassade ist eine äußerst präzise nachgebaute Kulisse der gegenüberliegenden Wand, durch die man zuvor eingetreten ist. Sieht man nur eine Spiegelung in den Fenstern oder öffnet sich tatsächlich ein weiterer Raum dahinter? Erst bei genauerem Betrachten erkennt man eine geöffnete Tür, die (je nach Standpunkt) ins Grüne oder auf die Busanzeigetafel der Hauptstraße führt. Dass der gesamte Raum auf einem fünf Meter hohen Gerüst steht, enthüllt sich erst beim Blick durch die Fenster der Nebenräume. Es ist ein Spiel der Erwartungshaltung – während manche die Arbeit von Wagner unbemerkt passieren, öffnen andere neugierig das Fenster.
Bachelor of Fine Arts im Studienschwerpunkt Bühnenraum bei Prof. Raimund Bauer, Prof. Verena Issel
Urheber*in: Eva Lillian Wagner
Studienprojekt III - Die Kinder der Toten. Elfriede Jelinek
„Man kann das natürlich, wie immer bei mir, auch vollkommen anders machen“, schreibt Elfriede Jelinek in den Regieanweisungen ihres Stückes Rechnitz (Der Würgeengel). Es ist eine Einladung, ihren Text als Material zu verwenden, als etwas Offenes, das man frei gestalten kann. Die Regie-Studierenden der Hamburger Theaterakademie, Kostümbildner*innen der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) sowie Bühnenraum-Studierenden der HFBK Hamburg haben sich 2019 bei ihrer alljährlichen Kooperation im Rahmen des Studienprojekts III mit dem Werk der österreichischen Schriftstellerin beschäftigt und scheinen sie beim Wort genommen zu haben. Bei vier der insgesamt fünf Inszenierungen haben Studierende von Prof. Raimund Bauer die Bühne gestaltet. Alle Inszenierungen setzen sich intensiv mit Jelineks Gedanken und Sprache auseinander und sind dabei doch etwas ganz Eigenes geworden. So hat Anton von Bredow für Rechnitz (Der Würgeengel) eine trügerische Idylle auf der Bühne errichtet: Man blickt auf ein Meer von pinken Tulpen, das von einem Hochsitz und einer Zielscheibe, Symbolen des Jagens und Tötens, gesäumt ist. Dann betreten sogenannte Boten die Bühne und erinnern an ein Massaker aus dem Jahr 1945: Damals lud Gräfin Margit von Batthyány SS-Offiziere, Gestapo-Führer und einheimische Nazi-Getreue ein, als nächtliche Belustigung 200 jüdische Zwangsarbeiter in einem Gehöft nahe ihres Schlosses bei Rechnitz zu ermorden. Wie die Gastgeberin selbst, die kurz nach der Tat in die Schweiz floh und nie zur Rechenschaft gezogen wurde, leugnen und bagatellisieren auch die Boten dieses Grauen, oder sie sprechen uneigentlich davon, wie zwei Kannibalinnen, die sich darüber unterhalten, wie sie einander verzehren wollen – nur zwei unter vielen, die sich am Töten berauschen. Ein großer Picknicktisch wird aufgebaut, über den sich die Gesellschaft hermacht. Zwei Leinwände seitlich der Bühne zeigen via Live-Schaltung elegant gekleidete Menschen in Partystimmung, die sich ins Geschehen einklinken. Zwei von ihnen wollen, wie die Feiergesellschaft in Luis Buñuels Film Der Würgeengel, vergeblich ihrem Aufenthaltsort entkommen. Flucht ist nicht möglich. Rechnitz war – und ist immer noch, so lautet die Botschaft.
Während hier das Offenkundige durch das »geschwätzige Schweigen« der Figuren sichtbar wird, beginnt Jelineks Stück Schatten (Eurydike sagt) dort, wo ihre Hauptfigur eigentlich verstummt ist. Eurydike entscheidet sich dafür, nicht mit Orpheus ins Reich der Lebenden zurückzukehren. Naomi Sam hat die Bühne für die Inszenierung dieses Stücks als ein Schattenreich gestaltet. Neonöhren im hinteren Bereich des düsteren Bühnenraums erwecken die Illusion von Türspalten, durch die Licht dringt. Auf einem Hocker sitzt eine Frau mit einer weißen Perücke. Ihre Rückansicht dient als Projektionsfläche für einen Film, der zeigt, wie ein Granatapfel zerpflückt wird. Während blutroter Saft über die Finger rinnt, die das Fruchtfleisch zerwühlen, hört man einen Mann schnell atmen. In der Folge durchstreifen schemenhafte Figuren weitgehend stumm den Raum, betasten einander ohne einander wirklich zu begegnen. Sie suchen, irren, ruhen, immer in sich selbst versunken. Geisterhaft bewegt sich Eurydike in der Allgegenwärtigkeit ihres Traumas, bleibt darin gefangen und schützt sich selbst, indem sie sich jedem Gespräch verweigert.
Auch in der Inszenierung von Winterreise wurde fast völlig auf das gesprochene Wort verzichtet. Trotzdem ist das Bühnengeschehen durchdrungen von Jelineks Text, in dem diese dem Gefühl des Fremdseins im eigenen Leben nachforscht. Still ist es aber keineswegs in der riesigen Lagerhalle, die Anna Armann auf der Bühne errichtet hat. Es knistert, knackt und raschelt; und immer wieder erklingt ein Lied aus Schuberts Liederzyklus. Schnee ist allgegenwärtig in dieser Inszenierung: zu Bällen geformt, in Kristallform oder als winzige, herumwirbelnde Styropor-Kügelchen, durch die auf dem Bühnenboden immer neue Bilder entstehen. Ein Bühnenbild, das bei aller Melancholie schön ironisch glitzert und ständig in Bewegung ist.
Im Zentrum des Stückes Begierde und Fahrerlaubnis: Eine Pornographie steht ein gynäkologischer Untersuchungsstuhl. Welche Vorgeschichte hatte er wohl? Das Programmheft bietet zwei Varianten: Verstaubte er als antikes Erbstück im Haus einer Arztfamilie oder diente er als Folterbank im privaten SM-Keller? Auf der Bühne wird er unter anderem zum Vehikel einer Fahrschule. Der Bühnenraum ist ein großer Versuchsraum, wo nicht nur Pornografie an sich, sondern auch Jelineks Verständnis von weiblichem Begehren mit viel Witz hinterfragt werden. Und über allem ließ Eva Lillian Wagner unheilvoll eine mit Folie zusammengehaltene Wolke aus klebrigem, weißem Schaum schweben, die sich schließlich über die Bühne ergoss.
Katharina Manzke
Urheber*in: Anton von Bredow Naomi Sam Anna Armann Eva Lilian Wagner
out of range
Urheber*in: Julia Malgut
Frühlingsstraße 26
Urheber*in: Natascha Leonie Simons
BLUR
Urheber*in: Mara-Madeleine Pieler
The Comfort Room
hey there,
how are you,,
fine sag ich, okay, alles ganz okay
are you
like
fine,, superfine
ja sag ich, sag ich doch
do you feel like a cherry on top of something grander
something solid and beautiful,,
ich sag manchmal cherrymäßig und dann wieder-
,,
i love you
okay
everybody loves you
okay
and not just that shall you keep strolling around
( )
they love all of you
(( ))
your purest darkest most sinister thoughts
they just cannot tell,,
ah omg
i’m so happy for you
i know you have waited
,,
,,
ja sag ich
for so long.
Urheber*in: Laura Robert
Spoiler
Urheber*in: Anna Mieves
Isomerie
Strukturen und Systeme sind allgegenwärtig, sie sind Teil der Biologie, gestalten die Natur, die Architektur, unsere Gesellschaft und das kulturelle Leben. Es sind Regelwerke, welche sich innerhalb ihrer eigenen Voraussetzung erweitern und verändern können. Sie sind Anordnung und Organisation einzelner Elemente, welche zueinander in Beziehung stehen. Die Installation Isomerie besteht aus Mero, einem Raumfachwerk aus Chromstahl. Die Mietdauer für das System betrug zwei Wochen.
Urheber*in: Anja Zihlmann
Jeder von Uns
Jeder von Uns ist eine Sound Performance für öffentliche Räume über die unsichtbaren Verbindungen zwischen Menschen.
U-Bahn-Stationen sind urbane Räume, in denen sich unterschiedliche Menschen bewegen. Sie kommen und gehen, bleiben eine Weile, dann verlassen sie sie wieder. Jeder benutzt sie in seinem eigenen Tempo.
Wie sieht die unsichtbare Verbindung zwischen den Menschen aus, die gerade aneinander vorübergehen? Was denken Menschen eigentlich, wenn sie sich in den öffentlichen Räumen bewegen? Können wir diese Gedanken hörbar machen, mehr voneinander erfahren oder gar eine Verbindung zwischen uns finden?
Das Ensemble spielt mit unterschiedlichen Sounds, um gemeinsam mit Publikum und Passanten Möglichkeiten auszuloten und auszuprobieren. Mithilfe der Sounds entsteht eine räumliche Klangstruktur aus Alltagsgeräuschen, in der sich Performer, Publikum und Passanten bewegen.
Der künstlerische Schwerpunkt von Ching-Ying Hsieh liegt auf dem Experimentieren mit der Beziehung von Klang, Architektur und Bewegung. Dies führte sie zu der Zusammenarbeit mit dem inklusiven experimentellen Musik-Ensemble BlueScreen des Blauschimmel Ateliers Oldenburg, welches sich seit Jahren intensiv mit Klangstrukturen und Klangexperimenten befasst.
Ursprünglich für die U-Bahn-Station Wartenau geplant, musste die Performance kurzfristig in die Aula der HFBK Hamburg verlegt werden.
Urheber*in: Ching-Ying Hsieh
#helpless
Themen der Arbeit sind Konflikt und Kompromiss, die auftreten, wenn sich Individuen in der Welt gegenüberstehen. In alltäglichen Räumen gibt es konstruierte Fragmente, die die Menschen in einer Weise verbinden, die leicht übersehen werden kann.
Ziel dieser Arbeit ist es, eine Situation zu schaffen, die ein Publikum „erleben“ kann. Sobald funktionale Objekte (in diesem Fall eine Treppe auf Rädern) in eine Situation geschoben werden, die nicht funktioniert, wird das Publikum ihre Formen und symbolischen Funktionen aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Da es sich jedoch um die Form eines funktionalen Objekts handelt, stellt sich das Publikum eine „funktionierende Situation“ vor.
Urheber*in: Hyejin Yoon
Die Anwesenden – die White Cube-Version
Urheber*in: Yi-Jou Chuang
IM FALL
Die perfomative Rauminstallation IM FALL ist gleichzeitig Skulptur und Bühnenraum. Das Innere der drei im Fall fixierten Räume zeigt zwei wartende Figuren, gefangen in der Konstruktion. Sie sprechen Textfragmente aus Samuel Becketts „Warten auf Godot". Ihr Dialog ist aus neuer Perspektive wahrnehmbar: Auf Rollbrettern liegend, bewegen sich die Betrachtenden unterhalb der Szene von einer Raumeinsicht zur nächsten, mit dem Blick nach oben.
Ausgezeichnet mit dem Karl H. Ditze Preis für die beste Abschlussarbeit
Urheber*in: Lea Burkhalter Marlene Lockemann
o.T.
Die performative Installation hat die Form einer Bar, die von den Besuchern einzeln betreten wird. Es handelt sich um einen abgeschlossenen, heterotopischen Ort, der sie mit dem Eintreten in die Rolle des Gastes überführt. Glaubt man zunächst, sich allein in der Räumlichkeit zu befinden, wird bei einem Blick um die Ecke die Sicht auf den am Ende des Tresens wartenden Barmann freigegeben. Die Enge der Bar bietet hierbei wenig Spielraum, um mit den Blicken auszuweichen, zwei identische Seiten vor und hinter dem Tresen erzeugen eine architektonische Spiegelung, die zwischen Barmann und Gast eine täuschende Ebenbürtigkeit schafft.
Urheber*in: Julia Malgut
_
Ich kann von hier weggehen
und dort ankommen.
Ich kann von dort weggehen
und hier ankommen.
Dabei wird das Dort zum Hier
und das Hier zum Dort.
Urheber*in: Andrea Rickhaus
Ein weiteres Beispiel für die Durchlässigkeit gewisser Grenzen
Unter der ständigen Angst, nicht genügen zu können, mühen sich Menschen ihr Leben lang, geliebt zu werden. Kraftvoll beschreiben DFWs Texte die permanente, autoaggressive Auseinandersetzung mit Selbst- und Fremdbildern, die Spannung zwischen Selbstinszenierung und Authentizität.
Urheber*in: Lea Burkhalter
Sammlung Minna Menz
Die Abschlussarbeit »Sammlung Minna Menz« besteht aus drei großformatigen Zeichnungen an den Wänden, einer dreidimensionalen Zeichnung im Raum und einem Künstlerbuch.
Urheber*in: Gesa Lange
Es wäre schon besser, wenn wir alleine wären...
Anika Jasmin Schmidt: Master of Education im Studienschwerpunkt Bühnenraum bei Prof. Raimund Bauer
Nele Sock: Master of Education im Studienschwerpunkt Zeitbezogene Medien bei Prof. Simon Denny
Urheber*in: Nele Sock Anika Jasmin Schmidt
ohne Titel
Bühnenbildmodell für das Stück Vorher/Nachher von Roland Schimmelpfennig
Urheber*in: Fanny Wühr
all eyes on me in the center of the ring (just like a circus)
Bachelor of Fine Arts im Studienschwerpunkt Bühnenraum bei Prof. Raimund Bauer, Prof. Dr. Astrid Mania
Urheber*in: Florence Schreiber
Geschichten aus dem Wiener Wald
Marianne fragt Oskar: „Was ist Liebe?“ und es folgt eine Stille. In diese Stille hinein erklingt ein Zwischenruf: „Liebe ist kälter als Kapital und Tod zusammen, aber alle Gefühle glauben an einen guten Ausgang!“
Inszenierung im Rahmen des »Studienprojekt III« der Theaterakademie Hamburg
Premiere: 31. Mai 2015, Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Malersaal
Urheber*in: Lea Burkhalter
DER ENDGEGNER
Ich erinnere mich an mein Spielzeug: Alles Actionfiguren, die man aus dem Fernsehen kannte. Helden und ihre Gegner, Kreaturen mit Maschinen-Körperteilen, Retter mit elementaren Spezialkräften, künstliche Laserpistolen mit Akku, LED und Lautsprecher.
Yukihito Tsuge (der Terrorist) sitzt auf einer Plattform im Meer und beobachtet mit einem Fernglas die Stadt. Er wird von der Polizistin Shinobu Nagumo dabei erwischt. Sie kennen sich aus der Polizeischule und sie waren damals ein Paar. Tsuge: Von hier scheint die Stadt fast wie eine Illusion. Findest du nicht? Nagumo: Auch wenn sie eine Illusion ist, gibt es Menschen, die sie als Realität akzeptieren und darin wohnen. (»Patlabor II«, Mamoru Oshii)
Well, let me tell you a story about an animal obviously dangerous, with bark as strong as his bite! Great claws for brute force, hunted, cornered, enraged! (»7 Shadows«, Devastator)
Urheber*in: Iason Kondylis Roussos Devastator
Serie und Ablenkung
Material: Nägel, Aluminium, Trockenbeton, Süßwasserzuchtperlen, Stahlseil
Urheber*in: Doris Margarete Schmidt
on n'est plus chez nous
Ich habe das Lied gefunden!
Das ist wahrscheinlich der größte Erfolg dieser Diplomausstellung.
Das Lied, das man nur vom Hörensagen her kannte, das wie ein Gerücht verbreitet und bei jedem Mal ein wenig abartiger wurde. Das Lied, von dem am Ende keiner mehr glaubte, dass es wirklich existiert. Wie die Ratte im Chickenwing.
Es existiert!
Henri Salvador – on n'est plus chez nous
Das produktive Missverständnis, von welchem sowohl das Lied als auch seine Rezeptionsgeschichte handelt, ist Ausgangspunkt für diese Konstruktion. Es verhindert zwar, dass man die Oper findet, schafft aber einen neuen Raum. Das Scheitern im Sprachraum war mir Anlass, andere Wahrnehmungsräume auf ein ähnliches Scheitern/Schöpfen in Überführungsprozessen zu untersuchen. Sei es der architektonische Raum oder der Erinnerungsraum, sei es eine Kunsthochschule oder die Bühne eines Theaters.
Ganz besonders im Theater, in dem sich der architektonische Raum, der erzählte Raum und der erinnerte Raum überschneiden und bedingen und einen vierten Raum bauen, den man nur durch das Missverstehen der Ausgangspunkte zu fassen bekommt. Wenn das Theater eine Geschichte erzählt, kommt es von ihr ab. Es erinnert sich und faltet den Raum zusammen, leitet ihn ab, rekonstruiert ihn und schmückt ihn aus... Es fängt mit Hamlet an und endet mit schwitzenden Schauspielern. Es beginnt mit der leeren Bühne und findet sein Ende auf dem Schlachtfeld.
Urheber*in: Jonathan Mertz
Plastik
Bildhauerei als Anwendung, um vorhandenen Raum- und Kräfteverhältnisse zu sabotieren. Etablierten Strukturen situativ begegnen. Das Spannungsverhältnis zwischen künstlerischer Intervention und baulicher Dekoration ausloten.
Urheber*in: Daniel Wimmer Tim Reinecke
In fernem Land
DIE WINDSCHUTZSCHEIBE UND DIE SCHEIBEN DER TÜREN WERDEN ZUR PROJEKTIONSFLÄCHE EINER VORGESTELLTEN REISE. DAS AUFSPRITZENDE WASSER LÄSST DEN EINDRUCK ENTSTEHEN, DASS SICH DER LKW AUF DER FAHRT BEFINDET UND DER ZUSCHAUER MIT IHM. DER SCHWAN, DER IM RHYTHMUS DES SCHEIBENWISCHERS AUFTAUCHT BZW VERSCHWINDET, FLIEGT VORAUS; ER GIBT DEN WEG AN ALS EINE FIGUR, DIE FÜR IDEALE UND WÜNSCHE STEHT. IN DER MYTHOLOGIE EIN MITTLER ZWISCHEN DIESSEITS UND JENSEITS, FÜHRT ER HIER DEN BETRACHTER VON DER REALITÄT IN DIE VORSTELLUNG.
DURCH DIE GEÖFFNETE STELLUNG DER TÜREN VERVOLLSTÄNDIGT SICH DIE FRONT ZU EINEM TRIPTYCHON.
SEINE ZENTRALITÄT IM RAUM SCHAFFT EINE SAKRALE ATHMOSPHÄRE.
ZU DEM PROJIZIERTEN BILD WIRD EINE KLANGCOLLAGE ABGESPIELT. IHRE KOMPOSITION ORIENTIERT SICH AN DER MUSIKALISCHEN STRUKTUR DES VORSPIELS AUS DEM 3. AKT DER OPER LOHENGRIN VON RICHARD WAGNER. DIE INSTRUMENTE WERDEN ERSETZT DURCH EIN REPERTOIRE VON LKW.- UND SCHWAN-GERÄUSCHEN.
AUSGANGGSPUNKT DER ARBEIT IST DIE GESCHICHTE DES LOHENGRIN, BEI DER SICH DER GRALSRITTER LOHENGRIN AUF DER REISE NACH DEM GLÜCK, NACH DER BEDINGUNSLOSEN LIEBE, BEFINDET.
ER BLEIBT SUCHENDER, DA SICH DAS ERHOFFTE NICHT EINLÖST.
Urheber*in: Margarethe Mast
Warteraum Zukunft
Ein über die gesamte Raumtiefe ansteigender Fußboden und eine eingefügte Säulenreihe, die nicht hält was sie verspricht, formen einen Trichter.
Der Raum ist Spielbedingung für die Schauspieler. Er bietet Widerstand und eine konkrete physische Herausforderung. Doch im Laufe des Stücks ändern sich die Spielregeln; was sicher galt gibt plötzlich nach - aus einer räumlichen Verschiebung entsteht eine Umwertung des Gewohnten.
Premiere: 14. Januar 2012
Aufführungstermine: 19.01./20.01./21.01./26.01./27.01./28.01./15.03./17.03./23.03./28.03./29.03.
Urheber*in: Martina Mahlknecht
gis
Wenn ich das Objekt im Raum von hier sehe, sehe ich Linien. Von hier ein Gerüst, eine Fläche, von da einen Raum und noch einen... Man kippt zwischen den Dimensionen hin und her.
Eine leere Theaterbühne ist Ausgangspunkt für Zeichnungen und eine Installation aus 160 einseitig schwarz gestrichenen Theaterlatten, die zwischen Boden, Decke und Wänden des Ausstellungsraums unter Spannung gesetzt werden so dass sie sich gegenseitig in ihrer Position halten. Vor Ort Gesehenes, Gehörtes und Gedachtes übersetze ich in Linien und eine Form im Raum, die sowohl Boden als auch Bananenblatt, Looping oder Laut sein kann und sich zwischen Installation, Kulisse und Zeichnung im Raum bewegt. Ich befrage insbesondere eine Linie, die Nulllinie, die auf der Bühne zwischen Zuschauerraum und Bühnenhaus verläuft, auf ihre Rolle bei der Konstruktion von imaginären Räumen.
Urheber*in: Lisa Marie Damm
Ein Scheinwerfer
Spricht man über den Schein des Werfers, so trügt er uns. Ist Täuschung, Blendwerk, nur Gehäuse. Er versucht, ins rechte Licht zu rücken, er kann verschönern und entstellen. Doch der Schein wird immer trügen. Uns wird eine Illusion aufgetischt.
In der Installation verliert der Scheinwerfer seine ursprüngliche Form und seine eigentliche Funktion, Licht abzustrahlen und etwas anderes in Szene zu setzen. Er wird zum konstruktiven Element einer Wand. Der Schein spielt sich dahinter ab, indirekt. Das Objekt, welches sonst die anderen erstrahlen lässt, wird selbst bestrahlt. Es gibt ein Davor und ein Dahinter. Was ist diese Wand? Eine Welle, ein Vorhang? Sie trennt, und doch ist das Dahinter nicht zu betreten und nur zu erahnen. Die Wand wird zum Scherenschnitt, fast so flach wie eine Projektion, sie erscheint als Schatten, aufgerollt, nur die Klappen lösen sich aus der Fläche.
Betrachte ich den Scheinwerfer als Objekt, so geht es mir um das Gehäuse. Er ist seines Sinnes entleert, seiner Funktion enthoben und bleibt so als eine Hülle zurück. Das Licht, das für den Scheinwerfer wesentlich ist, ist ausgeschaltet. Zurück bleibt der Corpus, ein Gehäuse mit Blenden. Ein Blender. Man wird getäuscht oder besser – hinters Licht geführt.
Urheber*in: Cora Saller
Fidelio
Bis heute gilt »Fidelio« – die einzige Oper Ludwig van Beethovens – als nahezu uninszenierbar. Zunächst als heiteres Singspiel beginnend, wandelt sich das Werk bald zum mächtigen Opernwerk. Das Libretto behandelt dabei nichts Geringeres als die großen Themen Freiheit, Überwachung, bedingungslose Liebe und moralische Verpflichtung des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft. Durchweg ernst und von hohem Anspruch wirkt die Oper zum Ende hin fast wie die Karikatur ihrer selbst, wenn es dem Komponisten nicht so ernst gewesen wäre…
Wie also umgehen mit diesem großen Stoff? Der Entwurf ist sowohl Gefängnis, als auch Begegnungsort und Wirkungsstätte der Figuren, eine unendlich wirkende Anordnung von Gitterstäben, die sich stetig verändert. Es bilden sich immer wieder neue Räume. Das Gefängnis füllt die Bühne komplett aus und wächst imaginär weit über die Grenzen des Bühnenraums hinaus. Durch die undurchdringliche Struktur wird der Raum zum Überwachungsraum, bei dem man nicht weiß, was sich auf der nächsten Ebene verbirgt. Die Grenzen zwischen Gefangenem und Wärter, zwischen Überwachtem und Überwachendem werden infrage gestellt. Auch wenn der Raum sich zum Ende für alle öffnet und die Gefangenen so befreit werden, wird der ursprüngliche Raum nie verlassen, nie durchbrochen. Der Utopie der absoluten Freiheit wird nur oberflächlich stattgegeben, dem Umbruch keine nachhaltige Verbesserung der Umstände unterstellt.
Urheber*in: Daniel Wollenzin
Eine / Eine Andere / Andere
Die Arbeit untersucht die Bildlichkeit von Sprache in Form einer doppelseitigen Videoinstallation. Zwei aus Einzelelementen konstruierte Wände wurden so im Raum installiert, dass ihre jeweiligen Rückseiten einen schmalen Durchgang ergaben. Auf die voneinander abgewandten Vorderseiten wurden zwei unterschiedlichen Videos projiziert. Beiden liegt ein doppelter Bildaufbau zugrunde: Das handschriftliche Schreiben des Textes auf Papier bildet die erste Ebene. Die zweite setzt sich aus der Projektion der ersten Ebene und der Interaktion mit jener zusammen. Die zwei Texte, die in den beiden Videos sichtbar werden, erscheinen ähnlich, da Metaphern und Redewendungen wiederholt und variiert genutzt werden. So beschreiben sie ihre Vielseitigkeit anhand einer zweiseitigen Struktur. Beruhend auf der Annahme, dass in der Sprache ebenso viel verborgen wie aufgezeigt wird, lotet diese Arbeit die Möglichkeiten der Darstellung von Mehrdeutigkeit aus.
Urheber*in: Nadine Droste
Entschleunigung
Der Igel kam mit seiner Frau überein, dass sie zu Ostern Kuchen backen wollten. Er sagt : »Bereite alles vor, was nötig ist, und ich gehe Hefe holen.« Und er ging aus dem Hause, eilig und voller Hast, um Hefe zu holen. Der Igel war so in Eile, dass er drei Jahre fortblieb und Pfingsten nach Hause kam. Hastig betrat er sein Haus, eilig stieg er mit seinem Hefetöpfchen über die Schwelle. Dabei rutschte er mit einem Fuß aus, stürzte der Länge nach hin und verschüttete die ganze Hefe auf die Erde. Sagt der Igel: »Was hat man davon, wenn man etwas so eilig macht? Durch allzu große Hast habe ich nun den Schaden: Ich selber bin hingestürzt, und alle Hefe habe ich auf die Erde geschüttet! Es lohnt sich nicht, etwas so eilig zu tun.« Da sagt die Igelfrau zu ihm : »Wo hast du dich denn so beeilt? Schon drei Jahre ist es her, seit du aus dem Haus gegangen bist! Du gehst weg, um für Ostern Hefe zu holen, nach drei Jahren bringst du die Hefe zu Pfingsten und dann schüttest du sie noch auf die Erde!« Sagt der Igel zu seiner Frau: »Das kommt davon, dass ich mich so beeilt habe, nur so ist der Schaden entstanden!«
(Märchen aus Litauen)
Urheber*in: Susanne Fehenberger
Unterrund
Die Andeutung einer Kuppel als Idee eines endlosen Raumes in Bewegung. Das Objekt besteht aus Seilen. Die Form entsteht in Rotation. Es changiert vor Augen. Die einzelnen Linien sind kurz fokussierbar, dann verschmelzen sie zu einem Körper. Die Skizze einer Architektur, gebrochene Repräsentation im Innenraum. Unter dem Rund das Streben zum Mittelpunkt, zum Punkt, aus dem es sich dreht. Eine Kamera steht auf einem Sockel und filmt das Zentrum. Sie dreht sich in die gleiche Richtung und in der gleichen Geschwindigkeit wie der rotierende Körper. In der Projektion wird die Bewegung aufgehoben, die einzelnen Linien stehen still, der Umraum – die Decke und alles in den Kamerafokus Kommende – dreht sich im Kreis.
Urheber*in: Swen-Erik Scheuerling
Die 672. Nacht. Ein Märchen von Hugo von Hofmannstahl
Zwei Projektionsflächen bilden als Drehtüren Ein- und Ausgang eines langen Flures. Der Besucher sieht sich auf jeder der Projektionsflächen von hinten. Läuft er dem eigenen Bild entgegen, entfernt sich dieses von ihm. Je nach Laufrichtung ist es ihm jedoch möglich, die anderen Besucher von vorne zu sehen. Während das eigene Angesicht nicht zu fassen ist, ist das der Anderen stets zugegen.
Urheber*in: Anthoula Bourna
Die Zweiflerin von Altona
Satres Protagonist Franz in „Die Eingeschlossenen von Altona“ schließt sich für 13Jahre in
seinem Zimmer ein, um der Schuld zu entkommen und sich in Überzeugung von moralistischer
Überlegenheit messianisch der Welt zu entziehen. Trotzdem richtet sich jede seine
Gedanken und Worte an die Außenwelt, die er nicht kennt.
Die Projektionen aus dem Flugsimulator von Google Earth kann er steuern. Sie spiegeln
seine Allmachtsfantasien und seine Besessenheit von der Leere. Das Fenster zur Welt bildet
ganz im Kontext der Romantik einen Spiegel seiner Seele und bleibt doch immer eine
Simulation.
Urheber*in: Lili Süper
Die Humanistin
Der inszenierte Live Screencast erzählt fragmentarisch die Geschichte
einer Person die im Internet auf der Suche nach Bedeutung,
Exzess, Göttlichkeit, Berührung und Verbundenheit ist.
Mit Texten von Büchners Leonce und Lena, Musik von Phil Collins
und Wagner, einer Exkursion durch Google-Maps Weltraum und
einen großen Salat an Youtube-Memes setzt sich eine Collage zusammen,
die die Einsamkeit des modernen Menschen im Rausch
tausender Möglichkeiten thematisiert.
Die ganze Arbeit ist unter folgendem Link zu finden: https://www.youtube.com/watch?v=-0kwqHgdNUs
Urheber*in: Lili Süper
Studienprojekt III
Blickt man auf die Biografie von Marieluise Fleißer, stößt man unweigerlich auf drei Männer: Bertolt Brecht, der die junge Dramatikerin für seine eigenen Ideen instrumentalisierte, den Journalisten Hellmut Draws Tychsen, der sie quälte und ausnutzte sowie ihren Ehemann Josef Haindl, der sie daran hindern wollte, zu schreiben. Und weil die 1901 in Ingolstadt geborene Schriftstellerin das eigene Leben stets als Grundlage für ihre Texte nahm, geistern diese drei auch 2020 durch die Inszenierungen der jährlichen Kooperation Studienprojekt III von Studierenden der Hamburger Theaterakademie, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) und Bühnenraum-Studierenden der HFBK Hamburg. Im Fokus stand jedoch eine kunstschaffende, nicht kleinzukriegende weibliche Stimme. Einer der es nicht gelingt, dass, was ihr schadet, ganz zu bannen, aber doch, sich darüber zu erheben. Die Studierenden haben für dieses „Fegefeuer“ kraftvolle Ausdrucksweisen gefunden. Wegen des Corona-Lockdowns konnten die Inszenierungen erst im September im Forum der Hochschule für Musik und Theater (HfMT) vor einem kleineren Publikum als sonst gezeigt werden.
Nora Kühnholds Inszenierung von Avantgarde, einer Bühnenfassung der Erzählung, mit der Fleißer ihre Beziehung zu Brecht verarbeitete, dreht sich um die junge Autorin Cilly aus Ingolstadt. Sie wird von einem genialischen Dichter gefördert, der sich eines ihrer Stücke aneignet, als es zu einer Aufführung kommt. Cilly wird auch als wütende Frontfrau einer Punkband gezeigt. Ihrer Energie setzen Naomi Sam und Anna Armann ein Bühnenbild entgegen, das in seiner betongrauen Tristesse an ein Amt erinnert. Ein kleiner trauriger Teich breitet sich darin aus. Hier haust Cillys Exfreund aus Ingolstadt, Sportschwimmer und Besitzer eines Tabakladens. Eine Schiebewand dahinter dient als Begrenzung zu einem weiteren Raum, der sich öffnet, wenn Cilly mit ihrer Band auftritt, sowie als Projektionsfläche für einen Film, der in eine Heidelandschaft führt. So brechen Naturbilder ins Grau hinein, so wie auch bei Cilly neue Ideen und Gefühle aufkeimen.
Pioniere in Ingolstadt hieß das Stück, durch das Fleißers Beziehung zu Brecht zerrüttet wurde. Thema ist der Einmarsch der Küstriner Pioniere in Ingolstadt und deren Begegnungen mit den Frauen der Stadt. Die Inszenierung von Simon Hastreiter wurde auf zwei Figuren begrenzt, die nicht zueinander finden. Mit einem großen Zaun aus Stahl hat Jakob Boekh hierfür ein wirkungsvolles Bild gefunden. Die Figuren unterhalten sich durch das Gitter. Auf diesem jagen sie einander, sie halten sich daran fest und den anderen fern. Szenen des Miteinanders sind von Konflikten bestimmt. So wie am Anfang: Berta und Korl tanzen zu Musik, die aus einem Keyboard dudelt. Berta will, dass die Melodie schnell abgespielt wird, Korl will es langsam. Knopf an, Knopf aus. Schnell, langsam, schnell, langsam, schnell. Keine Einigung, kein Verständnis.
„Roman vom Rauchen, Sporteln, Lieben und Verkaufen“, war der Untertitel von Fleißers einzigem Roman Mehlreisende Frieda Geier. Das klingt harmlos. Der Roman ist alles andere als das. Es wird darin ganz beiläufig über die Vergewaltigung der Schwester der Protagonistin geschrieben, Täter ist Friedas Verlobter Gustl. Diese Geschichte in der Geschichte, greift Lisa Wagner in ihrer Inszenierung auf. Auf zwei Schiedsrichterstühlen sitzen eine Podcast-Moderatorin und ein Journalist. Für ihren Podcast rollen sie das Geschehen auf, um dann selbst Teil davon zu werden. Zentrales Motiv von Bühnenbildnerin Anika Jasmin Schmidt ist ein Tennisplatz. Wer sich auf dem mit orange markierten Feld bewegt, wird den strengen Regeln eines Spiels unterworfen. Als Mittel, um in diesem starren Umfeld Emotionen widerzugeben dienen die Musik von einer Heimorgel und Tennisbälle, die man etwa mit Wut an die Wand schleudern kann.
Ein ferngesteuerter Tiefseefisch rollt in dem Stück Deep Fried Fish unter Regie von Katharina Grosch über die Bühne. Nur eine von vielen originellen Ideen von Martha Szymkowiak, die den inneren Kosmos einer Frau ausstaffiert, die allein im Theater ist. Grundlage der Inszenierung ist Fleißers Stück Der Tiefseefisch, das erst nach ihrem Tod uraufgeführt wurde. „Das Theater ist ein Zaubertrick. Hier drinnen gibt es nämlich genau zwei Möglichkeiten eine Person zu sein. Entweder die Frau aus Shining, oder ein Tiefseefisch. Aber was passiert, wenn das Theater plötzlich leer ist?“ steht im Programmheft der bearbeiteten Version. Es passiert viel: Ein Film führt in ein winziges Theater zu drei alptraumhaften Männern. Es gibt einen Kampf gegen Theaternebel mit einem Laubbläser und ein pathetisches Blutbad. In einer Szene gleitet die Protagonistin auf Rollschuhen gemeinsam mit dem Tiefseefisch über die Bühne. Dabei wirft sie lange Schatten auf Kirchtürme und Erker, die Skyline von Ingolstadt. In ihrer eigenen Welt ist sie eine Riesin.(Katharina Manzke)
10.-12. September 2020
Fegefeuer. Marieluise Fleißer. Mehlreisende Frieda Geier, Bühne: Anika Jasmin Schmidt; Bühnenbildassistenz: Rosa Thiemer; Regie: Lisa Wagner; Kostüm: Denise Agyei-Manu; Dramaturgie: Irene Wildberger; Musik: Martin Baumgartner; Regieassistenz: Grete Klein; Licht: Johanne Holten; Schauspieler*innen: Adele Vorauer, Nils van der Horst
Die Dreizehnjährigen, Bühne: Lili Süper; Regie: Lorenz Nolting; Kostüm: Ida Bekiç / Kora Hamm; Video: Simon Miné; Dramaturgie: Sarah Heinzel; Musik: Sarah Heinzel / Lorenz Nolting; Schauspieler*innen: Christine Korfant, Pauline Rénevier, Gerben de Jong
Avantgarde, Bühne: Anna Armann / Naomi Sam; Regie: Nora Kühnhold; Kostüm: Lea Baisch / Jana Mehner; Dramaturgie: Dominique Enz, Mara Nitz; Musik/Sound: Gloria Cazallas, Aaron Stolte, Thekla Molnar; Schauspieler*innen: Amanda Babaei Vieira, Dhia Ben Hamda, Frederik Gora
Deep Fried Fish, Bühne: Martha Szymkowiak; Szenografie/Kostüm: Sina Manthey; Regie: Katharina Grosch; Kamera: Konstantin Münzel; Ton: Julius Brauer; Sound: Jonathan Hamann; Dramaturgie: Marvin Müller; Schauspieler*innen: Emma Ulrich, Franziskus Claus, Luis Krummenacher, Luc Schneider
Pioniere in Ingolstadt, Bühne: Jakob Boeckh; Regie: Simon Hastreiter; Kostüm: Cynthia Krüger / Flora Lottner, Antonia Karnetzky; Dramaturgie: Hannah Mey; Schauspieler*innen: Pauline Gloger, Annalena Haering
Urheber*in: Anika Jasmin Schmidt Lili Süper Anna Armann Naomi Sam Sina Manthey Jakob Boeckh
404- Not Found
Die Stationenperformance „404 – Not Found“ bildet elf
Räume durch die sich das Publikum allein und auf zwei unterschiedlichen
Wegen bewegen kann.
Kann man auf dem oberen Weg den Spieler:innen zusehen,
wie sie in Vitrinen performen und in Kameras und Mikrofone
sprechen, wird man in dem unteren Weg in ein immersives
Raumkabinett geführt, in dem ebendiese Spieler:innen
über Projektionen mit den Publikum interagieren können.
Als Held:in seiner eigenen Geschichte, weren die Zuschauer:
innen hier von einem alten Mann in eine spektakuläre
Entdeckung eingeweiht. Hinter seinem Küchenschrank hat
er das Internet gefunden. Er bittet sie an diesem für ihn
neuen Ort nach einer politischen Utopie und Freiheit zu suchen. Doch auf der Reise und den Begegnung
mit den vielen Bewohner:innen des Publikums erscheint
das Internet ein widersprüchlicher Ort. Der
Walk verhandelt Fragen rund um die politischen
Auswirkungen einer digitalen Parallelwelt und gibt
Einblicke in eine mögliche Zukunft des Transhumanismus.
Videomaterial: https://youtu.be/XZf8MBVzAw4
Urheber*in: Lili Süper Merve Kaplan Josef Seidl
Das Exil des Piraten Ol' Man Jack
Papageiin Jules und Ol‘ Man Jack legen
an einer fremden Insel an und bitten
die Bewohner*Innen bleiben zu dürfen.
Ein Stück über Migration, Heimat und
die Ferne.
Urheber*in: Lili Süper
Auch die Tochter eines Frosches ist ein Frosch
In Sophokles Tragödie „Elektra“ tötet die
gleichnamige Hauptfigur ihre Mutter, um
die Schuld ihrer Familie zu begleichen. Doch
dadurch wird auch sie schuldig und bleibt im
Teufelskreis der Gewalt gefangen. In Fortführung
dieser Geschichte der ewigen Erbschuld
untersuchen Video und Inszenierung
gemeinsam die Frage danach, wer von den
Verbrechen des Nationalsozialismus profitiert
hat und wie weit sich diese Schuld bis in die
Gegenwart zieht. Der Tempel als Klischee
steht präsent als ironisches Inventar der
griechischen Mythologie, uraltes Familienanwesen
und geerbtes Denkmal der Schande in
der Mitte der Bühne. Durch seine Säulen sieht
man den Gott Apollon in den Tiefen seines
Computers die Geschichte der Familie Quant
aufarbeiten. Er greift durch Webcam und Mikrofon
in das Spiel ein und kann durch seine
Ferngesteuerte Livekamera die Protagonisten
jederzeit im Blick behalten.
Urheber*in: Lili Süper
K.O.N
Der interaktive Performancewalk K.O.N befasst
sich mit verschiedenen Verschwörungstheorien
und untersucht die Konstruktion von Geschichten,
Mythen und Wahrheiten in Zeiten der
Digitalisierung. Das Publikum bahnt sich einzeln
seinen Weg durch ein abstraktes Kabinett
der Realitäten. Dabei durchläuft es insgesamt
zehn Räume in denen es auf Performer:innen,
Musiker:innen, Video, Sound und Rauminstallationen
stößt, die ein Sammelsurium verschwörungstheoretischer Zitate bilden. Fälschlicherweise
eingeladen zu einer Konferenz der Elite K.O.N wird
der* Gast im sogenannten GATE zugelassen und gelangt
durch ein Dimensionsloch von Realitätsebene zu Realitätsebene.
Hier begeben sich die Teilnehmer:innen an einen Ort der
Ungewissheit, der gefährlich und erkenntnisreich zugleich
sein kann. Hier werden die Reisenden, Entdecker:innen
geheimer Machenschaften, Bekannte dubioser Gestalten
und Kompliz:innen in undurchsichtiger Geschäften.
Es wird mit diesem Walk zum einen auf die Gefahr von
undurchsichtigen Theorien und deren häufige Verflechtung
mit rassistischem oder antisemitischem Gedankengut
hingewiesen, zum anderen aber auch gesellschaftliche
Wissensproduktion und deren Ausschluss- und Machtmechanismen
befragt.
Sowohl inhaltlich als auch formal ist die Installation eng
mit den Ereignissen der Coronakrise verknüpft. Das
Team umfasste 20 Künstler:innen. Wir spielten täglich
jeweils 8 Stunden für ein Laufpublikum. In jedem Raum
hält sich die Besucher:in jeweils 3 Minuten auf und gelangt
nach ca. einer halben Stunde zurück in unsere geteilte
Realität.
Videomaterial: https://youtu.be/AO3E0pqRjVc
Urheber*in: Lili Süper Merve Kaplan
Impressum und Datenschutz
Anbieter dieses Internet-Auftritts ist nach § 5 TMG die Hochschule für bildende Künste Hamburg, gesetzlich vertreten durch den Präsidenten Martin Köttering
Anschrift:
Hochschule für bildende Künste (HFBK)
Lerchenfeld 2
22081 Hamburg
Tel.: +49 40 42 89 89-0
Fax: +49 40 42 89 89-271
E-Mail: webmaster@hfbk.hamburg.de
Web: www.hfbk-hamburg.de
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